Eine Unterbrechung beschreibt eine Pause, das Anhalten jeglicher Produktion für einen endlichen Zeitraum. Der Terminus suggeriert also: es geht nachher wieder weiter! Inwiefern kann ein solches Anhalten, ein Stopp dessen, was man im Begriff war zu tun, produktiv sein, wenn man gerade davon abgehalten wird, etwas zu Ende zu bringen? Und was, wenn ich immer wieder neu ansetzen muss, gleichsam wie Sisyphos, jedes Mal meine Gedanken neu ordnen und sobald ich mich gefasst habe, ertönt eine kleine, aber unbändige Stimme aus dem Off: „Mama, ich bin fertig!“.
Die Kunst liegt in der Fähigkeit nichts weiter zu tun, nicht abzubrechen, sondern im richtigen Moment zu unterbrechen, sodann wird die Unterbrechung selbst zu einem Kunststück, insbesondere, wenn klar wird, dass das ursprüngliche Tun in die Leere lief. Eine typische Antwort menschlicher Panikreaktion ist Informationsverweigerung gepaart mit blindem Aktionismus, ein schnelles Verstärken, mehr vom Gleichen, bis die Krise die Führung übernommen hat.* Der Mensch arbeitet nicht mehr an der Lösung des Problems, sondern wartet auf Erlösung (ein Wunder).
In „Produktive Unterbrechung II“, dem Programmbeitrag der Klasse TransArts, markiert die Unterbrechung zum einen das bestimmende Handlungsfeld, in der neue Kunst produziert wird: die Universität und ihre Werkstätten bleiben 2020 über vier Monate hinweg geschlossen, die Studierenden arbeiten in dieser Zeit in ihren privaten Räumlichkeiten. Gleichzeitig steht die Störung selbst und der produktive Umgang mit ihr zur Disposition und liefert Anstoß für künstlerische Ausdrucksformen, die sich jenseits physischer Präsenz und körperlicher Nähe entwickeln.
*Vgl. Dietrich DÖRNER: Die Logik des Misslingens. Strategisches Denken in komplexen Situationen, 8. Auflage. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2009. URL: epdf.pub/die-logik-des-milingens-strategisches-denken-in-komplexen-situationen.html
Stephan Hilge, Roman Pfeffer, Nita Tandon, Institut für Bildende und Mediale Kunst
Foto: Annika Eschmann, Magazin des Glücks, 2020
Hector Schofield, MH6.Oktober201508.45, 2020
Eva Rybářová, Serie Still Lifes, 2020
Christopher Frieß, Private Dots And Public Clouds, TONSPUR, 2020