Digital Dictatorship or Digital Democracy – Konferenz

Do. 25.6.2020 14.00 bis 19.00 Uhr
Jamie Allen, Martin Drexler, Gesche Joost, Beth Noveck, Sarah Spiekermann, Hito Steyerl, Jamie Susskind
Peter Weibel – Forschungsinstitut für digitale Kulturen
Informationstechnologie und Kommunikation im digitalen Zeitalter haben sich schneller entwickelt als die politischen Systeme und Strukturen. In dieser Lücke haben private Unternehmen im Westen ihr Regime der Generierung und Kontrolle von Informationen im virtuellen Raum der Online-Kommunikation errichtet. Was bedeutet das für die Demokratie? Das Ziel unseres Online-Symposiums im virtuellen Raum ist es, das Schicksal der Demokratie im Zeitalter der digitalen Medien zu reflektieren. In den 1990er-Jahren keimte die Hoffnung auf, dass digitale Medien allen Menschen den Zugang zu Informationen eröffnen und jede*n Einzelne*n mit dem Wissen und der Kompetenz ausstatten würden, die für eine lebendige Demokratie notwendig sind. Heute sind die sozialen Medien für viele Beobachter*innen zu “asozialen Medien” geworden, weil sie sich zur Plattform für konspirative Themen sowie zur Echokammer für Vorurteile und fake news entwickelt haben und anstatt der liberalen Demokratie eher der Durchsetzung rechter Interessen dienen. Unbewiesene Meinungen (Doxa), die sehr oft von Chatbots generiert werden, werden viral und als Feedback-Mechanismen verbreitet, um eine affirmative Mehrheit der Gläubigen zu bilden. Statt einer Demokratie kompetenter Bürger*innen dominiert eine Doxakratie. Die digitale Technologie ermöglicht eine größere Beteiligung der Öffentlichkeit (durch Online-Petitionen, Kundgebungen, Demonstrationen usw.), aber solch eine neue Forderung nach Beteiligung und Mitwirkung wird von der repräsentativen Demokratie nicht erfüllt. Deshalb haben wir neue politische Bewegungen, von der “flüssige Demokratie" bis hin zu Macron in Frankreich. Das Problem besteht darin, dass viele Bürger*innen aufgrund des Mangels an angemessener Bildung die Funktionsweise von Algorithmen und Datenverwaltung nicht ausreichend verstehen. Ohne diesem Wissen können sie nicht nachvollziehen, wie digitale Werkzeuge funktionieren; sie wissen nicht, wie sie verwaltet werden und wer sie kontrolliert. Digitale Analphabet*innen sind auf die Hilfe von A.I.-Systemen angewiesen. In "flüssigen Demokratien" könnten A.I.-Systeme täglich im Namen der Bürger*innen ”abstimmen”, anstatt alle paar Jahre ein Kreuz auf einem Papier zu machen um eine*n Kandidaten zu wählen und somit anhand eines konkreten Falls diskutieren, beraten und entscheiden. Aber wenn die “natürlichen” Stimmen den Mechanismus der KI-Systeme nicht verstehen - dann droht uns eine Art digitaler Feudalismus. Deshalb brauchen wir dringend neue Bildungsprogramme für digitale Kompetenz. Technologie und Politik haben eine sehr enge Beziehung. Nach Harold Innis' "Empire and Communications" (1950) beruhten die ersten Imperien auf der Erfindung und dem Gebrauch der Schrift. Tausend Jahre später entstand durch die Gutenberg-Revolution und die Druckerpresse die Möglichkeit, verschiedenste Ideen fast ohne Zeitverlust verbreiten zu können - eine der Wurzeln der Aufklärung und der repräsentativen Demokratie. Was können wir von digitalen Werkzeugen für die Zukunft der Demokratie erwarten? Digitale Diktatur oder digitale Demokratie?

 

 

Zeitplan

14.30-15.00 Uhr Jamie Allen (Institut Experimentelle Design- und Medienkulturen, Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Gestaltung und Kunst)

15.00-15.30 Uhr Beth Noveck (The Governance Lab, New York University)

15.30-16.00 Uhr Hito Steyerl (Universität der Künste Berlin)

16.00-16.30 Uhr Sarah Spiekermann (Wirtschaftsuniversität Wien)

16.30-17.00 Uhr Martin Drexler (Die Graphische Wien, AI-42 Market Intelligence Ltd.)

17.00-17.30 Uhr Gesche Joost (Universität der Künste Berlin)

17.30-18.00 Uhr Jamie Susskind (Rechtsanwalt und Bestsellerautor)

ab 18.00 Uhr: abschließende Diskussion

 

für mehr Info siehe

Digital Dictatorship or Digital Democracy