„Geschmack des Salzes, Geschmack des Meeres, ein leicht bitterer Geschmack von etwas Verlorenem, von Dingen, zurückgelassen in einer anderen Welt, anders als hier.“ – Gino Paoli
1963 schrieb Gino Paoli den Sommerhit „Sapore die sale“, in dem er einen typischen Tag am Strand besingt. Er beschrieb diesen als: „… die momentane Abwesenheit gefestigter Gepflogenheiten“. „Høliday“ geht von einem Archivbild des Meeres aus. Dieses wird mit dem Photo eines Smartphones kombiniert, abgebildet auf dessen Screen findet sich die vertraute Textur eines weltbekannten Unternehmens.
Das Bild des Meeres erweckt ein kalkuliertes Gefühl der Beschaulichkeit, spielt mit unseren Sehnsüchten, unserem Verständnis des Meeres als Ort der Entspannung und Kontemplation. Die Hand, das Telefon und die Textur verweisen auf eine turbokapitalistische Gesellschaft und ihr zwanghaftes Verlangen nach Vergnügen, wodurch dauerhafte Zufriedenheit kurzlebiger Befriedigung geopfert wird. Unsere Gerätschaften liefern uns eine Kopie des Meeres, das dadurch niemals tatsächlich zu erleben ist. Wir verbleiben mit den zurückgelassenen Dingen in „… einer anderen Welt, anders als hier.“
Derzeit ist das Milieu künstlerischen Ausdrucks ein Ort der Pluralität, an dem immaterielle Praktiken in materielle einfließen (Post-Internet Art) oder ehemals materielle sich immer weiter auflösen (transmediale/postmediale Kunst). Transmedialität und die Räume, die sie schafft, lösen eine Reihe von Effekten aus, die das formale Wesen der Kunst infrage stellen und dazu führen, dass uns nur eine kontextbasierte Kunst bleibt, die auf Wahrnehmung (der Künstler*innen), Absicht (der Raum) und Gestus (Kommunikation/Übertragung/Beständigkeit) beruht. Das bedeutet, dass sich die Kunst in der postmedialen Ära der Wandelbarkeit von Formen und Ausdruck in den Bereich der Intentionalität und gestischen Bewegung zwischen Künstler*innen und Publikum hineinentwickelt hat. Transmediale Kunst trennt Formalismus von Performativität, selbst wenn sie Materialien verwendet, und verortet Kunst im Bereich von Kommunikation und Erleben. Vielleicht leben wir in diesem bedeutungsvollen Augenblick, in dem formale Kunst nicht mehr so wichtig ist wie der Gestus, der ihr innewohnt. Während sich die Menschheit immer schneller in die Atemlosigkeit des Konsums, rasante Innovation und zunehmende Verbreitung von Kommunikationsmedien wirft, bietet die Kunst, die sich auf Gestus, Intention und Erleben konzentriert, einen Ort, an dem man sich noch positionieren kann, und das ist in einer fließenden, anomischen Zeit sehr wichtig – ein Ort unserer Menschlichkeit. Transmediale KunstAus: lightness and matter – Transmedia Art,Jenseits des Mediums: Der Gestus in der transmedialen Kunst / Patrick Lichty, Edition Angewandte, De Gruyter, 2018
Prof. Brigitte Kowanz, Institut für Bildende und Mediale Kunst
Francesca Centonze, Høliday, rendering1
Francesca Centonze, Høliday, rendering2